Im Fall hatte eine Fremdgeschäftsführerin einer GmbH auf Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach Beendigung Ihres Vertragsverhältnisses geklagt – da dieser Anspruch nur Arbeitnehmern nach deutschem Arbeitnehmerbegriff zusteht, war die Frage zu klären, ob sie als Geschäftsführerin überhaupt als Arbeitnehmer zu qualifizieren war – aus unionsrechtlicher wie nationaler Sicht.
Rechtliche Grundlagen.
Nach § 1 BUrlG steht jedem Arbeitnehmer pro Kalenderjahr bezahlter Erholungsurlaub zu. Wer als Berechtigter gilt, wird in § 2 BUrlG bezeichnet: also Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte sowie arbeitnehmerähnliche Personen. Wenn noch zustehender Urlaub zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt oder genommen werden kann und der Arbeitnehmer nicht durch vertragliche Vereinbarung auf seinen Resturlaub verzichtet, ist der bei Ende des Arbeitsverhältnisses noch bestehende Urlaub nach § 7 BUrlG in Geld abzugelten, dessen Höhe sich nach § 11 BUrlG bemisst.
Zum Sachverhalt.
Die Klägerin war seit 19. April 2012 als „Geschäftsführerin“ der Beklagten angestellt. Ab Oktober 2018 stellte die Beklagte der Z-GmbH die Dienste der Klägerin als Geschäftsführerin zur Verfügung. Die Klägerin hatte dabei eine Reihe an Weisungen einzuhalten, die u.a. ihre Arbeitszeiten, Aufgaben sowie deren Nachweis gegenüber der Z-GmbH in bestimmtem Umfang umfasste. Nach sechs Jahren der Betriebszugehörigkeit sah der Dienstvertrag der Parteien schließlich einen Jahresurlaub von 33 Tagen vor, von dem die Klägerin im Jahr 2019 11 Tage und im Jahr 2020 keinen Tag in Anspruch nahm. Im September 2019 legte die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin gegenüber der Beklagten nieder und kündigte das Vertragsverhältnis im Oktober mit Wirkung zu Ende Juni 2020. Vom 30. August bis zum Ende des Vertragsverhältnisses erbrachte sie keine Leistungen mehr und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte die Klägerin Urlaubsabgeltung nach § 7 BUrlG vor dem Arbeitsgericht. Sie war dabei der Auffassung, trotz ihrer formalen Geschäftsführerinnenstellung als Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht klagen zu können. Denn sie sei in ihrem Arbeitsverhältnis entsprechend weisungsgebunden beschäftigt worden und daher Arbeitnehmerin. Die Beklagte war dagegen der Ansicht, dass weder die Vertragsmodalitäten noch die tatsächliche Durchführung des Rechtsverhältnisses die Annahme einer Arbeitnehmerstellung rechtfertigen würden.
Im Prozess gaben die ersten beiden Instanzen der Klägerseite Recht.
Zur Entscheidung.
Auch das BAG sah die Klage als begründet an und wies die Revision zurück. Denn die Klägerin habe bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit der Beklagten nach § 7 Abs. 4 BUrlG einen nicht erfüllten Anspruch auf 22 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2019 und auf 16,5 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2020 gehabt. Irrelevant war dabei, dass die Klägerin selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte.
Die Klägerin könnte außerdem auch als Geschäftsführerin Urlaub verlangen. Als Fremdgeschäftsführerin einer GmbH ergebe sich der Anspruch direkt aus § 7 Abs. 4 BUrlG, was aus einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung folgt. Dies ist unabhängig davon, ob die Klägerin auch nach nationalem Recht als Arbeitnehmerin gilt oder nicht.
Denn das BUrlG dient gerade der Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie 2003/88/EG. Damit sind die nationalen Gerichte daran gehalten, innerstaatliches – in diesem Fall deutsches – Recht unionsrechtskonform auszulegen, also so weit wie möglich dem Wortlaut und Zweck der Richtlinie anzupassen. Für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs nach § 2 BUrlG waren daher die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen: danach ist nicht ausgeschlossen, dass ein Mitglied eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft auch „Arbeitnehmer“ nach Unionsrecht ist. Das gilt auch dann, wenn dieses Leitungsmitglied bei der Ausführung der ihm zugewiesenen Aufgaben dem Geschäftsführer weniger untergeordnet oder weniger von ihm weisungsabhängig ist als es das deutsche Recht im Regelfall vorsieht. Die Bewertung als Arbeitnehmer hängt vielmehr von einer Gesamtbetrachtung aller Umstände ab.
Ergebnis und Fazit.
Bezogen auf diesen Fall bedeutete dies, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin nach Unionsrecht galt. Sie war weisungsgebunden tätig und habe nach Gesellschaftsvertrag der Beklagten jederzeit abberufen werden können. Ihr habe daher der geltend gemachte Urlaubsanspruch zugestanden. Da dieser wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht gewährt werden konnte, bestand ein Abgeltungsanspruch.